Gießener Anzeiger vom 16.06.2011 / Foto: CDU Buseck

Intensive Debatte über Solarpark im Busecker Parlament - CDU: Kein Zeitdruck, weil Gelände von Änderung nicht betroffen

(vb). Wie dringend ist es, dass die Gemeinde Buseck noch in diesem Jahr einen Solarpark auf dem ehemaligen Bundeswehrdepot und Nato-Lager bei Alten-Buseck baut oder bauen lässt? SPD, FW und Grüne sagen „sehr dringend“ und verweisen auf einen Artikel in einer Fachzeitschrift, wonach die Bundesregierung ab 2012 keine Solarparks auf ehemaligen militärischen Flächen mehr zulassen wird, wenn diese zugleich Naturschutzgebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind. Die CDU sagt „nicht dringend“ und überraschte am Dienstagabend in der Sitzung der Gemeindevertretung mit der Information, dass das Depot von einer Neuregelung nicht betroffen sei, weil es sich um eine andere Art von Naturschutzgebiet handele. Ihre Quelle: der zuständige Dezernatsleiter beim Regierungspräsidium Gießen. Am Ende gab es einen klaren Beschluss: Der Solarpark soll noch in diesem Jahr entstehen.

Zuvor war der Dringlichkeitsantrag der drei Fraktionen gegen sieben Stimmen der CDU und bei zwei Enthaltungen auf die Tagesordnung genommen worden. CDU-Fraktionsvorsitzender Oliver Steinbach sprach gegen die Dringlichkeit und fragte seine Parlamentskollegen, ob diese denn die aktuellen Entwürfe zum neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz gelesen hätten. Die Antwort gab er selbst: „Offenbar nicht.“ Uwe Kühn (FW) habe im Bauausschuss Kopien aus einem „Branchenblättchen“ verteilt. Doch die Rückfrage beim zuständigen Fachmann im Regierungspräsidium habe ergeben, dass das Depot von den diskutierten Änderungen nicht betroffen sei, weil es sich um eine andere Art von Naturschutzgebiet handele. „Die Begründung in Ihrem Antrag stimmt nicht“, so Steinbach, der dazu aufforderte, dass endlich ein Gesamtkonzept vorgelegt werden müsse, so dass die Gemeinde die Chance habe, sinnvolle Maßnahmen im Depot zu realisieren.

„Verdächtigung“

Neben der inhaltlichen Diskussion gab es noch eine zweite Ebene. Steinbach hatte im Bauausschuss auf die „Doppelfunktion“ von Uwe Kühn (FW) als Gemeindevertreter und Vorstandsvorsitzender der Bürgersolargenossenschaft Sonnenland aufmerksam gemacht. Der SPD/FW/Grünen-Antrag zum Solarpark spricht sich für ein „höchstmögliches Maß an Bürgerbeteiligung aus der heimischen Region“ aus. Für Steinbach ein klarer Fingerzeig Richtung „Sonnenland“. Kühn zog daraus seine Konsequenzen. Er sehe zwar keine Verknüpfung, wolle sich aber nicht der „Verdächtigung“ aussetzen und deshalb an der Debatte nicht teilnehmen. Willi Marx (SPD) erklärte, er wisse nicht, ob bei ihm ein Interessenkonflikt vorliege, wolle aber ebenfalls nicht teilnehmen. Parlamentsvorsitzender Norbert Weigelt (SPD) machte klar, dass er keinen Widerstreit der Interessen sehe.

Von der CDU wurde ein Änderungsantrag vorgelegt. Falls die Gemeinde den Solarpark nicht selbst errichtet und betreibt, sollte bei einer Vergabe der größtmögliche wirtschaftliche Vorteil für die Gemeinde das Hauptkriterium sein. Begrüßt wird, wenn heimische Bürgerbeteiligungsprojekte am Vergabeverfahren teilnehmen, heißt es darin. Außerdem soll die Maßnahme in ein Gesamtkonzept für das Depot eingebunden werden, dass zur Parlamentssitzung am 25. September vorgelegt werden soll.

SPD-Fraktionsvorsitzender Roland Kauer lehnte den Änderungsantrag ab, weil dieser den Sinn des Ursprungsantrages „ad absurdum“ führen würde. Der größtmögliche wirtschaftliche Nutzen liege bei Investoren in China. Zur Frage der Dringlichkeit meinte er, dass man nicht wisse, was der Bundestag beschließen werde, alles sei im Fluss.

Steinbach erklärte, der Ärger der CDU sei doch nachvollziehbar, weil sich die Gemeindevertretung seit drei Jahren mit dem Thema beschäftige, und es lägen keine greifbaren Ergebnisse auf dem Tisch. Die CDU habe nie behauptet, dass es einfach sei, das Gelände zu vermarkten. Wichtig sei dabei, nicht einzelne Teile herauszunehmen, weil dann die übrigen Bereiche schwieriger einer sinnvollen Nutzung zuzuführen seien. „Maßstab unseres Handelns sollte der Begriff ,Gesamtkonzept‘ sein“, forderte der CDU-Fraktionsvorsitzende. Da sich für Flächen für Fotovoltaik ein Markt entwickelt habe, müsse das Ziel sein, für die Gemeinde mit ihrem defizitären Haushalt das Maximale herauszuholen. Deshalb dürften diese Flächen auch nicht ohne Prüfung, ob ein anderer mehr bezahlen würde, an jemanden vergeben werden, „dessen Ziel es ist, die Kapitalanlagen seiner Mitglieder zu verzinsen“. Steinbach betonte seine Zustimmung zu Bürgerprojekten oder Investorengesellschaften, aber auch diese müssten sich dem Markt stellen.

Damit identifizieren

Anette Henkel (SPD) meinte zum Gesamtkonzept, dass die CDU während der Koalition mit den FW hätte eingreifen können. Sie betonte, dass die Bürgerbeteiligung vor dem wirtschaftlichen Vorteil liegen müsse, denn sonst gebe es Ärger wie bei dem in Linden geplanten Solarpark. Stattdessen müssten sich die Bürger damit identifizieren. Die Gemeinde könne es nicht selber machen und ausländische Investoren suchten nur nach Abschreibungsobjekten, betonte Henkel.

Willy Jost (SPD) fand die Diskussion über den Interessenkonflikt „völlig absurd“. Heute beschließe man über die Möglichkeit und nicht darüber, wer den Solarpark betreibe. Ähnlich wie Henkel meinte er auch, dass sich Großinvestoren bewerben würden. Dagegen kämen Bürgerprojekte nicht an. Jost gab unumwunden zu, dass andere Investoren tatsächlich ausgeschlossen werden sollten, weil man die Bürgerbeteiligung für wichtiger halte.

„Loyalitätskonflikt“

Sven Simon (CDU) warf den drei anderen Fraktionen vor, „eine Dringlichkeit konstruiert, Druck erzeugt und Fakten geschaffen“ zu haben. Er vermisste in dem Antrag einen klaren Handlungsauftrag an den Gemeindevorstand und fragte, warum in Hungen die Stadt den Solarpark betreiben könne und dies in Buseck nicht möglich sei. Der „Loyalitätskonflikt“ für Kühn und Marx bestehe doch nur, wenn anders, als im Antrag formuliert, schon klar sei, dass die Bürgersolargenossenschaft Sonnenland den Solarpark bauen und betreiben solle. „Dann entscheiden wir bereits heute, dass sich das Vermögen der Genossen mehren möge, und dann ist der Beschluss nicht mehr am Gemeinwohl ausgerichtet, sondern am eigenen Interesse und das stört mich. Der Antrag hat diesbezüglich einen Geschmack“, erklärte er.

Ronald Kauer (SPD) widersprach. Den „Loyalitätskonflikt“ hätten Steinbach und Simon „konstruiert“. Kühn und Marx nähmen an der Debatte deshalb nicht teil, weil sie Schaden von der Gemeinde abwenden wollten und nicht deshalb, weil dieser Konflikt bestehe. Sicherlich hätten die „Sonnenland“-Mitglieder einen wirtschaftlichen Nutzen. Aber jeder könne Mitglied werden. Zudem stehe „Sonnenland“ in dem Antrag ausdrücklich nicht drin, bekräftigte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Der Änderungsantrag der CDU wurde bei sieben Ja- und 25 Nein-Stimmen abgelehnt, der Ursprungsantrag mit dem umgekehrten Ergebnis angenommen.

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